Über Jugendbeteiligung auf der Weltklimakonferenz in Polen 2018

Bildquelle: klimadelegation

In Sachen Klimawandel ist internationale Zusammenarbeit wichtiger denn je. Wie ist es, sich als junger Mensch einzumischen? Magdalena Mittermeier spricht über ihre Erfahrungen auf der Weltklimakonferenz.

Ein Interview von Social Reporterin Caroline Kunz. Caroline betreut die nachhaltigen Initiativen der World Citizen School und ist Aktivistin für Greenpeace und Fridays for Future.                                                        

Was ist dein Bezug zum Klimawandel?

Ich bin Nachwuchswissenschaftlerin, das heißt ich promoviere in Geographie an der LMU München und arbeite in einem Projekt für Klimafolgenforschung. Da geht es darum, wie sich der Klimawandel in Bayern konkret auswirkt. Wir machen hauptsächlich Hochwasser- und Dürreereignisse, die hier die größten Naturrisiken darstellen. Wir arbeiten dabei mit Klimasimulationen: Wir versuchen herauszufinden, welche Auswirkungen es hat, wenn sich die Erde um zum Beispiel 4 Grad erwärmt. Das wäre wirklich gravierend, denn dann passiert es beispielsweise viel schneller, dass ein Hitzesommer 2018 als milder Sommer gilt. Deswegen redet man aktuell auch immer davon, dass man das 1,5 Grad Ziel oder zumindest das 2 Grad Ziel einhalten möchte.

Laut dem Bericht des Weltklimarats besteht zwischen 1,5 und 2 Grad Erderwärmung immer noch ein riesiger Unterschied, richtig? 

Ja, genau. Diesen Bericht hat der Weltklimarat kurz vor der Klimakonferenz herausgebracht. Einige der beteiligten Wissenschaftler*innen waren auch in Polen vor Ort und haben ihre Ergebnisse vorgestellt. Was ich mir gemerkt habe ist, dass 70 bis 90 Prozent der Korallenriffe auch bei 1,5 Grad schon kaputt gehen würden. Bei 2 Grad ist das Risiko dann nochmal höher. Hier reichen also nicht mal die 1,5 Grad. Was Extremniederschläge, Dürren, den Meeresspiegelanstieg und wie viele Menschen davon jeweils betroffen sind angeht – da ist der Unterschied zwischen 1,5 und 2 Grad sehr groß. Deswegen fordern vor allem die kleinen Inselstaaten, dass 1,5 Grad eingehalten werden sollen. Für die geht es auf den Konferenzen um ihre Existenz und für andere Staaten geht es darum, was politisch umsetzbar ist.

Reden die Politiker*innen auf der Konferenz viel um den heißen Brei herum?

Ja, davon spricht auch Greta Thunberg oft. Das ist die 15-jährige Schwedin, die jeden Freitag die Schule für eine ambitioniertere Klimapolitik streikt. Sie sagt, dass wir endlich darüber reden müssen, was nötig ist und nicht nur darüber, was politisch machbar ist.

Wozu braucht es einen Weltklimagipfel?

Der Klimawandel ist ein globales Thema, das kein Staat für sich allein lösen kann, sondern alle müssen zusammenarbeiten. Deswegen ist es so wichtig, dass alle zusammenkommen. Es stimmt schon, dass die Verhandlungen zäh sind – wir würden uns auch wünschen, dass dort mehr bewegt wird –, aber andererseits sehe ich auch ein, dass das zu einem gewissen Grad nicht anders geht.

Was für Menschen und was für Institutionen waren denn bei dem Klimagipfel vertreten?

Jedes Land schickt eine Delegation. Also von Deutschland waren Bundesumweltministerin Svenja Schulze und die deutsche Delegation da. Außerdem fahren noch viele NGOs wie Greenpeace oder WWF, und Wissenschaftler*innen – vor allen Dingen vom Weltklimarat (IPCC) – hin. Die Politiker*innen stellen aber die meisten Leute.

Wie kam es, dass Du zum Klimagipfel gefahren bist? Was hast du dort gemacht?

Nach Kattowitz bin ich mit der klimadelegation gefahren. Das ist ein politisch unabhängiger Zusammenschluss von jungen Leuten aus Deutschland. Auf der Konferenz haben wir uns aber auch jeden Tag mit allen anderen jungen Leuten aus der ganzen Welt getroffen. Dieser Zusammenschluss heißt YOUNGO. Die haben zum Beispiel ein Treffen mit der europäischen Delegation organisiert, bei dem ich dabei war. Wir hatten eine Stunde Zeit, den zwei europäischen Hauptverhandlern kritische Fragen zu stellen.

Wie kommst Du zur klimadelegation (NGO)?

Eine Kommilitonin von mir ist mit der klimadelegation schon mal auf eine Konferenz gefahren. Das fand ich spannend und dann habe ich mir das mal angeschaut. Außerdem wollte ich mich eh schon lange ehrenamtlich engagieren und das Thema hat gut gepasst. Mir gefällt es bei der klimadelegation echt gut. Vor der Weltklimakonferenz haben wir ein Vorbereitungswochenende gemacht. Dort habe ich gemerkt, dass richtig viel geht innerhalb von ein paar Tagen. Das ist Wahnsinn. Die meisten Leute sind da auch noch gar nicht lange dabei und machen aber schon voll viele Sachen, bei denen du dir eigentlich viel zutrauen musst. Da denk ich mir dann auch jedes Mal so „Boah, was die alles machen!“. Ich bin ja erst zum ersten Mal hingefahren und habe zwar viel mitgeholfen, aber nicht die wildesten Sachen gemacht.

Was ist der Zweck der Veranstaltungen, die neben den Verhandlungen stattfinden?

Wenn es um Klimawandel und Klimaschutz geht, geht es vor allem um die gesellschaftliche Debatte, die angeregt werden muss. Denn obwohl das Thema eigentlich so wichtig ist, ist es noch viel zu wenig diskutiert. Greta sagt auch oft, dass man doch ständig über den Klimawandel reden müsste. Ich finde, dass die Konferenzen auch unabhängig von dem, was politisch tatsächlich vereinbart wird, ein großer Treffpunkt für alle Akteur*innen drumherum sind. Weil es ein Mal im Jahr groß um Klimaschutz geht und das international in den Medien ist.

Wie muss und kann es mit dem Klimaschutz weitergehen?

Global gesehen müssten wir bis 2050 null Emissionen netto erreichen, um das 1,5 Grad Ziel einzuhalten. Bis 2030 sind das dann minus 45 Prozent, das heißt wir haben nur noch zwölf Jahre Zeit dazu, alles umzustellen. Und das ist wirklich gar nicht mehr lang. Da ist es auch blöd, dass die Leute, die letztendlich verhandeln, in einer Welt mit fossiler Energie aufgewachsen sind und sich das im Vergleich zu jungen Menschen gar nicht anders vorstellen können. Deswegen wäre es auch so wichtig, dass wir miteingebunden werden.

Ein Wissenschaftler meinte, es brauche außerdem Vorreiterstaaten. Deutschland galt lange als Vorreiter in Sachen Klimaschutz. Mit einer erfolgreichen Energiewende, oder dadurch, dass man die Emissionen erfolgreich nach unten schraubt, könnte man eine riesige Wirkung auf andere Staaten erzielen, sodass sie nachziehen. Deswegen ist es umso schlimmer, dass Deutschland sich mit dem Kohleausstieg so querstellt.

Von einer NGO auf der Klimakonferenz gibt es auch immer einen Negativpreis: Den „Fossil of the Day“. Den verleihen sie jeden Tag an das Land, das die Verhandlungen am stärksten bremst. Den hat auch Deutschland bekommen, weil sie die Ergebnisse der Kohlekommission eigentlich am Gipfel vorstellen wollten. Zudem ist schon klar, dass Deutschland seine Klimaziele für 2020 nicht einhalten wird. Dieses „blaming and shaming“ ist im globalen Kontext sehr wichtig.

Was hat Dich auf der Konferenz am meisten aufgeregt?

Erst hörst du einer Rede zu, bei der jemand sagt, dass es total wichtig ist, dass wir Klimaschutz betreiben, weil wir nicht mehr lange Zeit haben und jetzt wirklich was passieren muss. Und dann habe ich gemerkt: Obwohl ich sogar vor Ort war, hatte ich eigentlich keine Ahnung, was die Politiker*innen gerade (nicht) beschließen. Ich musste mir meine Informationen trotzdem noch mühsam zusammensuchen. Das hat mich frustriert.

Was hat Dich am meisten begeistert?

Alles, was um die Konferenz drumherum passiert ist. Zu sehen, dass es doch so viele Akteur*innen und Personen gibt, die gute Ideen haben und denen das Thema wichtig ist. Das habe ich vor allem an der positiven Resonanz gemerkt, als ich zurückgekommen bin. Das wiederum motiviert mich jetzt auch persönlich wieder: Ich habe gesehen, dass man noch viel mehr bewegen kann. Wie viel Potenzial sich plötzlich ergibt, wenn man sich mit anderen Leuten zusammentut, davon bin ich gerade sehr begeistert.

Was waren die Ergebnisse in Kattowitz kurz und knapp?

Das wichtigste Ergebnis war, dass das Regelwerk zum Pariser Klimaabkommen verabschiedet worden ist. Jetzt wird alle fünf Jahre eine globale Bestandsaufnahme gemacht, bei der die nationalen Klimaschutzziele wieder hochgeschraubt werden sollen. Es gibt nun Regelungen für alle Staaten darüber, wie sie ihren CO2-Ausstoß transparent machen sollen.

Wie viel versprichst Du Dir davon?

Kattowitz war eine Konferenz, die zumindest nicht gescheitert ist. Es ist gut, dass dieses Regelwerk nun verabschiedet wurde und es vorwärts geht. Trotzdem war es keine besonders erfolgreiche Konferenz. Es muss jetzt ambitionierter weitergehen.

Was kann man als Einzelperson im Kampf um Klimaschutz tun?

Die Politik wissen lassen, dass man da ist und dass einem das Thema wichtig ist. Sich zusammenschließen. Auch passive Mitglieder von Umweltverbänden sind wichtig, weil die durch mehr Stimmen mehr Gewicht bekommen. Demonstrieren. Der Hambacher Forst bleibt Politiker*innen schon erst mal im Gedächtnis. Man muss der Politik signalisieren, dass die Mehrheit einen starken Klimaschutz möchte, weil die sich auch nur dann trauen, zu ehrgeizigeren Maßnahmen zu greifen. Außerdem kann natürlich jede*r einen Beitrag leisten, indem er*sie versucht, seinen*ihren eigenen CO2-Ausstoß zu verringern.

Dazu gibt es aber auch das Gegenargument, dass man die Verantwortung nicht auf die Konsument*innen ummünzen kann. Was sagst Du dazu?

Ich finde es schon wichtig, dass jede*r seinen*ihren eigenen Beitrag zum Klimaschutz leistet, aber man kann als Einzelperson natürlich nur begrenzt agieren. Deswegen finde ich es auch so wichtig, dass man die Verantwortung der Politik einfordert. Vor allem die jungen Leute können noch lauter werden.