Gerade war es geschafft: Das Thema Nachhaltigkeit war präsent in den Medien und in den Köpfen der Bevölkerung – nicht zuletzt Dank Greta Thunberg und aktivistischer Gruppierungen wie Fridays for Future oder Extinction Rebellion. Nachhaltigkeit wurde in Talkshows diskutiert und in der Politik war sogar die Rede davon, dass der*die nächste Bundeskanzler*in von den Grünen gestellt werden könnte. Nachhaltigkeit war vermeintlich so präsent wie nie. 

Doch dann kam Corona. Und mit dem Virus auch scheinbar eine Zäsur im Bereich Nachhaltigkeit. In Medien und Talkshows drehte es sich plötzlich nur noch um die Pandemie und die Rettung unserer Wirtschaft, Klima Demos durften nicht mehr stattfinden, vom Thema Nachhaltigkeit war kaum noch eine Rede. Dies zeigte sich auch politisch: Die Union gewann in Umfragen hinzu, während die Grünen  sogar bis zu 10 Prozentpunkten verloren – von möglicher Kanzlerpartei war keine Rede mehr. Wie steht es also um Thema Nachhaltigkeit in der Corona-Krise? Oder steckt die Nachhaltigkeit etwa selbst mitten in der Krise? Wir haben nachgefragt bei den Tübinger Ortsgruppen von Fridays for Future und Greenpeace.

Beide Gruppen sind sich ganz klar einig: Trotz Corona steckt das Thema Nachhaltigkeit in keiner Krise – im Gegenteil, sie sehen in der Pandemie sogar Chancen für eine nachhaltige Zukunft!

“Die Krise kann eine positive Veränderung im Bereich Nachhaltigkeit verursachen.” Fridays for Future Tübingen

Sowohl Greenpeace, als auch Fridays for Future betonen, dass die Krise – trotz all ihrer negativen Aspekte – im Bereich Nachhaltigkeit auch positive Begleiterscheinungen mit sich gebracht hat. So sind beispielsweise während der Corona-Krise viele Arbeitnehmer*innen auf den Geschmack des Home Office gekommen, wodurch sich Abgase vermeiden lassen. Auch die Massentierhaltung steht Dank des Virus in Kritik. Zudem führte die Pandemie auch zu einer Bewusstseinsänderung – viele Bürger*innen überlegten oder überlegen sich, was denn nun wirklich im Leben wichtig ist und änderten daraufhin ihre Einstellung zu vielen Dingen. Sowohl Fridays for Future, als auch Greenpeace sind der Ansicht, dass das Bewusstsein  der Bürger*innen für Nachhaltigkeit während der Pandemie stark gestiegen ist und sehen hier eine große Chance – allerdings muss sich erst noch zeigen, ob dieses neu gewonnene Bewusstsein auch das Ende der Corona-Krise übersteht und zu nachhaltiger Veränderung führt.

Wir können aus der Krise lernen. Mit der großen Solidarität der Corona-Pandemie kann sich die Klimabewegung einen gewaltigen Schritt in die richtige Richtung bewegen.” Greenpeace Tübingen

Wie jedoch die Tübinger Ortsgruppe von Fridays for Future betont, ist dies zwar ein positiver Nebeneffekt, kann jedoch nicht allein die Lösung für unsere Probleme im Bereich Nachhaltigkeit und für die Klimakrise sein. Denn: Auch wenn sich im Mindset der Bevölkerung etwas tut und Nachhaltigkeit hier einen höheren Stellenwert hat, darf nicht vergessen werden, dass der*die einzelne Konsument*in im Vergleich zu großen Firmen nur zu einem geringen Anteil zur Klimakrise beiträgt – Hauptverursacher bleiben große Konzerne. Auch wenn manche umweltverschmutzende Konzerne momentan dank der Pandemie ihre Produktion herunterfahren oder sogar ganz einstellen müssen, wird dies in Zukunft nicht so bleiben. Deshalb sehen die Vertreter von Fridays for Future nach wie vor ganz klar die politischen Entscheidungsträger*innen des Landes in der Pflicht, mit Gesetzen eine nachhaltige Zukunft zu sichern.

Und wie funktioniert eigentlich Klima-Aktivismus in einer Zeit, in der notgedrungen alles online stattfindet? Beide Gruppen berichten, dass sich interne Meetings zwar einfach über Online-Dienste wie zum Beispiel Zoom abhalten lassen, Aktionen oder Demonstrationen allerdings nicht. Deshalb erlebten auch beide Gruppen hier vorerst einen Stillstand und konzentrierten sich stattdessen vorerst auf die Planung neuer Aktionen für eine Zeit nach Corona und den Austausch mit der Online-Community. Fridays for Future erwägt außerdem – wenn möglich – Kundgebungen mit Abstand und nach Einhaltung der Hygiene-Vorschriften nach dem Lockdown wieder stattfinden zu lassen. Klima-Aktivismus und Protest während Corona komplett aufzugeben, ist für beide Gruppen keine Option:

“[D]ie Umweltproblematiken, die vor der Krise existent waren, sind es auch nach der Krise noch. Unsere Proteste gehen also weiter!” Greenpeace Tübingen

Foto von Alena Koval von Pexels. Danke!